Mittwoch 27 November 2019, 19h00, Abtei Neumünster
Leicht haben es die Protagonisten in Ulrich Boschwitz’ (1915-1942) Debütroman „Menschen neben dem Leben“ nicht (zuerst erschienen in schwedischer Sprache 1937 bei Bonnier in Stockholm. Erscheint erstmals am 21. September 2019 in deutscher Orginalsprache im Klett-Cotta-Verlag). Sie sind die wahren Verlierer der Wirtschaftskrise: Kriegsheimkehrer, Bettler, Prostituierte, Verrückte. Doch abends zieht es sie alle in den Fröhlichen Waidmann.
Die einen zum Trinken, die anderen zu Musik und Tanz. Sie treibt die Sehnsucht nach ein paar sorglosen Stunden, bevor sich der graue Alltag am nächsten Morgen wieder erhebt. Doch dann tanzt die Frau des blinden Sonnenbergs mit einem Mal mit Grissmann, der sich im Waidmann eine Frau angeln will und den Jähzorn des gehörnten Ehemanns unterschätzt. Und so nimmt das Verhängnis im Fröhlichen Waidmann seinen Lauf, bis sich neue Liebschaften gefunden haben, genügend Bier und Pfefferminzschnaps ausgeschenkt wurde und der nächste Morgen graut. Wie durch ein Brennglas seziert der zu diesem Zeitpunkt gerade mal zweiundzwanzigjährige Autor das Berliner Lumpenproletariat der Zwischenkriegsjahre.
Ulrich Alexander Boschwitz, geboren am 19. April 1915 in Berlin, emigrierte 1935 gemeinsam mit seiner Mutter zunächst nach Skandinavien, wo sein erster Roman, »Menschen neben dem Leben», erschien. Der Erfolg ermöglichte ihm ein Studium an der Pariser Sorbonne. Während längerer Aufenthalte in Belgien und Luxemburg entstand »Der Reisende«, der 1939 in England und wenig später in den USA und in Frankreich veröffentlicht wurde. Kurz vor Kriegsbeginn wurde Boschwitz in England trotz seines jüdischen Hintergrunds als »enemy alien« interniert und nach Australien gebracht, wo er bis 1942 in einem Camp lebte. Auf der Rückreise wurde sein Schiff von einem deutschen U-Boot torpediert und ging unter. Boschwitz starb im Alter von 27 Jahren, sein letztes Manuskript sank wohl mit ihm.
Samuel Hamen, geboren 1988 in Luxemburg-Stadt, studierte Germanistik an der Universität Heidelberg. Zurzeit schreibt er ebendort an seiner Promotion zum Lyriker Thomas Kling. Er betreibt den Literaturblog „ltrtr.de“ und arbeitet als freier Redakteur u. a. für „Zeit Online“, „d’Lëtzebuerger Land“, „tell-review.de“ sowie Radio 100,7. Schwerpunkt seiner journalistischen wie wissenschaftlichen Arbeit ist die Gegenwartsliteratur. 2016 wurde er mit dem Hans-Bernhard-Schiff-Preis ausgezeichnet. Für seinen ersten Roman „V wéi vreckt, w wéi Vitess“ (erschienen im Februar 2018 bei Editions Binsfeld) wurde er 2019 für den Prix Servais nominiert. Im Oktober diesen Jahres erscheint sein Erzählband “Zeeechen” (mit Illustrationen von Marc Angel).
Peter Graf, geboren 1967 im Rheinland, ist seit über zwanzig Jahren als Lektor und Verleger tätig. Er hat zahlreiche Publikationen aus den Programmbereichen Kunst- und Fotobuch, Sachbuch und Belletristik betreut und verlegt, darunter auch Bestseller und preisgekrönte Publikationen. Nach Tätigkeiten bei Hoffman & Campe, Rogner & Bernhard, Kein & Aber, hat er sich im Sommer 2009 mit dem Verlag Walde + Graf in Zürich selbstständig gemacht. Zusammen mit Thomas Böhm, Carsten Pfeiffer und Tobias Roth gründete er 2017 den Verlag Das kulturelle Gedächtnis, der zum Ziel hat, notwendige Bücher der Literatur- und Kulturgeschichte neu zu verlegen.
Nickel Bösenberg, 1971 in Hamburg geboren, ist ein deutscher Schauspieler, der seit 2007 in Luxemburg lebt. Diverse Gastengagements und freie Theaterproduktionen haben ihn an zahlreiche Bühnen von Deutschland bis Russland geführt. Zuletzt war er in „Klamms Krieg“ bei MASKéNADA zu sehen.