Montag, 13. Mai 2019,
19:00 Uhr
in der Abtei Neumünster
Lesung und Gespräch mit Hans Thill
Das Werk von Barbara Honigmann zählt zu den wichtigsten literarischen Zeugnissen einer Auseinandersetzung mit der jüdischen und deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert, aus der Perspektive der zweiten jüdischen Generation nach der Shoah. Alle ihre Bücher bewegen sich, mal dichter, mal weiter entfernt, um die Geschichte der eigenen Familie: um die Herkunft, die jüdischen Wurzeln, um Mutter und Vater, ihre Emigration in der NS-Zeit, ihr kommunistisches Engagement, die Spionage für die Sowjetunion, schließlich die Rückkehr ins Nachkriegsdeutschland und in die DDR. Barbara Honigmann erzählt lakonisch und witzig, traurig und mitreißend von ihrer deutsch-jüdisch-kommunistischen Sippe, und die persönlichsten Geschichten einer Familie schließen sich zusammen zu einem epischen Bild Deutschlands in diesem schrecklichen Jahrhundert.
Nach „Ein Kapitel aus meinem Leben“, der Geschichte über ihre Mutter, erzählt Barbara Honigmann nun in „Georg“ (Hanser-Verlag, 2019) das Leben ihres Vaters. Hier die private Seite einer Lebensgeschichte, die um die halbe Welt führt: Herkunft aus Frankfurt, Odenwaldschule, Paris-London-Berlin, dazwischen Internierung in Kanada, nach der Emigration der Weg in die DDR. Dort aber immer die wiederkehrende Erfahrung: „Zu Hause Mensch und auf der Straße Jude.“
Barbara Honigmann, 1949 in Ost-Berlin geboren, studierte nach dem Abitur an der Humboldt-Universität Theaterwissenschaften. Seit 1975 ist sie freie Schriftstellerin. 1984 verließ sie mit ihrer Familie die DDR und lebt seither in Straßburg. Ihr erstes Buch „Roman von einem Kinde“ erschien 1986, es folgten 11 weitere, darunter „Eine Liebe aus nichts“ (1991), „Ein Kapitel aus meinem Leben“ (2004), „Bilder von A.“ (2011), „Chronik meiner Straße“ (2015) und soeben „Georg“.
Barbara Honigmann wurde für ihr Werk häufig geehrt, u.a. mit dem Kleist-Preis, dem Koret Jewish Book Award, dem Max-Frisch-Preis, dem Ricarda-Huch-Preis und zuletzt mit dem Jakob-Wassermann-Literaturpreis 2018.
Hans Thill, 1954 in Baden-Baden geboren, ist ein deutscher Autor und Übersetzer. Er studierte Sprachen in Heidelberg sowie Jura, Germanistik und Geschichte. 1978 gründete er zusammen mit Angelika Andruchowicz, Manfred Metzner, Ulla Tripp und Dorothea Lang den Verlag „Das Wunderhorn“. Er hat zahlreiche Bücher aus dem Französischen übersetzt. Seit 2000 ist er Leiter der Reihe Poesie der Nachbarn – Dichter übersetzen Dichter, seit 2010 künstlerischer Leiter des Künstlerhauses Edenkoben. 2012 hielt er die Poetik-Vorlesung an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Hans Thill ist „Writers-for-Peace“-Beauftragter, war bis April 2017 Beisitzer im Präsidium des deutschen PEN.